Die Norm für elektronische Rechnungen an öffentliche Auftraggeber ist nun fast vier Monate alt. Fünf Mitgliedsstaaten ziehen auf dem eInvoicing Standard Launch Event der europäischen Kommission ein erstes Fazit zum Status der Implementierung der EN16931. Auch wenn auf den ersten Blick alle Mitgliedsstaaten die selbe Aufgabe zur Implementierung der Norm haben, sind die Ansätze doch recht unterschiedlich. Sie unterscheiden sich gleich in mehreren wesentlichen Aspekten:
- der Verpflichtung der Empfänger zur Annahme elektronischer Rechnungen,
- der Wahl der Option, zwischen zentralen und dezentralen öffentlichen Auftraggebern zu unterscheiden,
- der Verpflichtung der Sender zum Versand elektronischer Rechnungen,
- ob auf nationaler Ebene eine CIUS zur EN definiert wird und wie weit diese geht,
- sowie dem bevorzugten Übertragungsweg und der Syntax.
Somit wurden alleine in den betrachteten Mitgliedstaaten bereits so viele unterschiedliche Ansätze gewählt, dass diese in einer Effizienz- oder Kostenanalyse schwer zu vergleichen sind.
Niederlande
Für die Niederlande ist die elektronische Rechnung an öffentliche Auftraggeber kein neues Thema. Bereits seit 2010 existiert ein zentraler Datenhub der Verwaltung, über den sie elektronische Rechnungen empfängt. Im Jahr 2016 wurden bereits 48% aller Rechnungen (von ca. 2 Millionen) an zentrale öffentliche Auftraggeber als strukturierte Daten gesendet. Weitere 22% als PDF-Dateien und die restlichen 20% waren Rechnungen auf Papier.
In den Niederlanden gilt nur ein Umsetzungsdatum für alle öffentlichen Auftraggeber: Der 17. April 2019. Damit wird die Option nicht genutzt, den dezentralen Auftraggebern ein weiteres Jahr für die Umsetzung zur Verfügung zu stellen. Dennoch gibt es für zentrale und dezentrale Auftraggebern unterschiedliche Anforderungen. Der Rechnungsempfang zentrale Auftraggeber über drei Wege möglich: Einem zentralen Datenhub der Verwaltung, einem Webportal, sowie einem auf PEPPOL basierenden Netzwerk für B2B und B2G. Auch wenn die Niederlande durch die Norm Rechnungen in UN/CEFACT CII akzeptieren werden, bevorzugen sie die Syntax UBL 2.1.
Diesem zentralen Zugang der zentralen Auftraggeber steht gleichzeitig eine dezentrale Lösung für die dezentralen Auftraggeber entgegen. In einem eigenen Koordinierungsprojekt PIANOo werden diese Auftraggeber und die Solution Provider deren Lieferanten fit gemacht, sich an das Simplerinvoicing – Netzwerk anzuschließen.
Die Anders als in einigen anderen Ländern soll es keine gesetzliche Verpflichtung der Sender geben, elektronische Rechnungen zu senden. Jedoch besteht bereits seit dem 1.1.2017 für die zentralen Auftraggeber die Verpflichtung, in neue Ausschreibungen und Verträge die elektronische Rechnungsübermittlung verpflichtend mit aufzunehmen.
Verwaltung und Wirtschaft arbeiten derzeit an einer gemeinsamen CIUS für den B2B und B2G Austausch von elektronischen Rechnungen. Dabei ist auch geplant, nur eine beschränkte Anzahl von Erweiterungen zur EN16931 zuzulassen.
Frankreich
Frankreich hat mit der Plattform CHORUS Pro bereits sehr früh auf eine zentrale Empfangslösung für öffentliche Auftraggeber gesetzt. Rechnungen können in dieser Plattform über viele verschiedene Wege entgegengenommen werden. Neben einem Webportal und einer Anbindung von POPPOL setzt CHORUS Pro insbesondere auf die direkte Anbindung von ERP-Systemen. Es nimmt neben rein strukturierten Daten für UBL und CII insbesondere auch hybride Rechnungen im Format Factur-X an. Von der Kombination aus lesbarer PDF-Datei mit eingebetteten strukturierten Daten verspricht sich Frankreich eine schnellere und einfachere Umsetzung der elektronischen Rechnungen im Markt.
Frankreich hat für den Versand der Rechnungen an CHORUS Pro eine eigene CIUS entwickelt. Insbesondere für den Cross-Border Rechnungsversand werden hier Empfehlungen ausgesprochen, wie die in der EN16931 enthaltenen Codelisten einzuschränken sind. Ebenso wird definiert, welche Referenzen übermittelt werden müssen, um eine automatisierte Rechnungsverarbeitung zu gewährleisten. Frankreich führt darüber hinaus jedoch auch Umsetzungsmöglichkeiten ein, die über eine CIUS hinausgehen und somit nicht compliant zur EN16931 sind. So wird insbesondere für kleinste Unternehmen die Möglichkeit geschaffen, nur wenige Pflichtinformationen zusammen mit der hybriden Rechnung zu versenden. Die Rechnungspositionen werden in diesem Fall nicht strukturiert übermittelt, wodurch die PDF-Datei zum eigentlichen Rechnungsdokument wird.
Und dies ist auch notwendig, denn in Frankreich tickt die Uhr zur Umsetzung bereits heute. Ziel ist es ausschließlich elektronische Rechnungen B2G zum 1.1.2010 zu senden. Doch so lange haben nur wenige der rund 1,25 Millionen Unternehmen in Frankreich zur Umsetzung Zeit. Bereits zum 1.1.2017 wurden die größten Unternehmen gesetzlich verpflichtet, Rechnungen ausschließlich über das Portal an die Verwaltung zu senden. Diese Pflicht wird jährlich zum 1.1. auf die nächste Gruppe jeweils kleinerer Firmen ausgedehnt. Bis 2020 sollen so rund 95 Millionen Rechnungen pro Jahr elektronisch an die öffentlichen Auftraggeber gesendet werden.
Schweden
Schweden gilt mit einer gesetzlichen Einführung im 2005 als Vorreiter der elektronischen Rechnung in Europa. In diesen 12 Jahren wurde erreicht, dass rund 60 % aller Rechnungen elektronisch versendet werden. Während alle zentralen Auftraggeber bereits den Empfang und die Verarbeitung unterstützen, ist mit rund 87% der dezentralen Auftraggeber noch ein wenig Ausbaureserve vorhanden.
Zum Rechnungsaustausch setzt Schweden ausschließlich auf das PEPPOL-Netzwerk und bevorzugt UBL als Syntax. Schweden entwickelt keine eigene CIUS, sondern setzt hier auf die im Rahmen des PEPPOL Projektes entwickelte CIUS für PEPPOL BIS. Die Gesetzgebung sieht eine Verpflichtung zum Versand elektronischer Rechnungen B2G an alle öffentlichen Auftraggeber zu einem einzelnen Stichtag vor. Diese Gesetzgebung wird durch mehrere weitere Ziele und Projekte unterstützt, um die Vorteile des elektronischen Rechnungsversandes noch zu steigern. So setzt Schweden bereits heute auf ein integriertes E-procurement. Ausschreibungen und Bestellungen werden ebenfalls elektronisch vorgenommen, so dass die verschiedenen Austauschformate ineinander übergreifen. Ergänzt wird dies um Change Management Projekte, die den Unternehmen und dezentralen Auftraggebern helfen sollen, die Anforderungen zu erfüllen.
Italien
Ein eigenes nationales Format für elektronische Rechnungen wurde in den letzten Jahren in Italien entwickelt und eingeführt. Bereits seit 2014 müssen zentrale Auftraggeber und seit 2015 auch dezentrale Auftraggeber elektronische Rechnungen in diesem Format empfangen und verarbeiten können.
Ein zentrales Netzwerk dient als Schnittstelle von den rund 2 Millionen Rechnungssendern zu den rund 24000 öffentlichen Auftraggebern. Diese zentrale Plattform dient künftig auch dazu die beiden Syntaxen der EN16931 umzusetzen und somit eine Verbindung zum nationalen Format zu schaffen. Neben der Rechnung werden in Italien bereits heute Bestellungen und Lieferavise über das auf PEPPOL basierende Netzwerk versendet.
Italien geht einen pragmatischen Ansatz für die CIUS: Es wird zwischen den Regeln über den nationalen Rechnungsaustausch und den Austausch über die Grenzen hinweg unterschieden. Um die bereits etablierten Systeme weiter optimal nutzen zu können sind die Anforderungen an die nationale Rechnungsstellung höher, als an den Cross Border Austausch. Bei letzterem werden nur wenige Elemente definiert, die insbesondere der Zuordnung eingehender Rechnungen zur weiteren Verarbeitung dienen.
Norwegen
Neben Schweden gilt Norwegen ebenfalls als Vorreiter der elektronischen Rechnung in Europa. Die öffentliche Verwaltung sowie das Gesundheitswesen sind bereits seit Mitte 2011 dafür vorbereitet, Rechnungen und Gutschriften elektronisch zu empfangen. Mitte 2012 kam die Verpflichtung dazu, in allen neuen Verträgen den elektronischen Datenaustausch mit aufzunehmen.
Norwegen setzt dabei ebenfalls auf das PEPPOL-Netzwerk als Zugangspunkt für elektronische Rechnungen. Jedoch unterscheiden sich bereits heute die Anforderungen an die nationale Rechnungsstellung von der Cross Border Rechnungsstellung. Während bei letzterer das Format PEPPOL BIS verwendet wird, hat Norwegen auf der gleichen Basis für den nationalen Austausch das darauf basierende Format EHF entwickelt.
Diese Kombination wird auch bei der Umsetzung der EN16931 beibehalten. Es wird keine zusätzliche CIUS entwickelt, sondern auf die Vorgaben des Netzwerks vertraut.
Über dieses wurden seit der Einführung im Jahr 2012 rund 110 Millionen elektronische Rechnungen versendet, wobei die Nutzung stark zunimmt. Etwa die Hälfte aller Rechnungen wurden in den letzten zwölf Monaten empfangen und alleine 5,2 Millionen davon im September 2017.
Fazit zum Status der Implementierung
Durch die Norm wurde die Anzahl der Syntaxen auf zwei reduziert. Sie stellt darüber hinaus sicher, dass Rechnungen, die konform zur Norm sind von allen öffentlichen Auftraggebern akzeptiert werden müssen. Dies reduziert zunächst die Komplexität der Umsetzung.
Die fünf dargestellten Länder verfolgen jedoch teilweise sehr unterschiedliche Ansätze, die elektronische Rechnung im jeweiligen Land zu etablieren. Dies kann Rechnungssteller, die ihre Waren und Dienstleistungen in mehrere Länder senden weiterhin vor Herausforderungen stellen. Insbesondere die Unterscheidung, ob Rechnungen national oder grenzüberschreitend versendet werden, bedeutet wenigstens zwei verschiedene Implementierungen für die Rechnungssteller. Doch die eigentliche Herausforderung liegt in den vielen verschiedenen Zugangswegen, eine elektronische Rechnung zuzustellen.